ZU DEN "STAND-BY INSZENIERUNGEN" VON KLAUS PAMMINGER

von Sabine Schaschl

 

"Gleichzeitig mit der veränderten Stellung des Individuums in der Familie und in der Gesellschaft findet auch ein Stilwandel der Einrichtungsgegenstände statt. Couchen, Schlafecken, niedrige Tische, Regale und Anbauelemente verdrängen alte Garnituren. Die Bauweise selbst wird in Mitleidenschaft gezogen: Das Bett verwandelt sich zur Kippcouch, die Anrichte und der Kasten übersiedeln in den Wandschrank, der verschiebbare Türen erhält. Die Dinge lassen sich nun zusammenklappen, ausziehen und schwenken, verschwinden auf Wunsch und sind im nächsten Augenblick wieder da."(1) Jean Baudrillard, der in seinem Buch "Das System der Dinge" unser Verhältnis zu den alltäglichen Gegenständen überprüfte, stellt für den modernen Gegenstand der späten sechziger/frühen siebziger Jahre eine Konzentration auf die singuläre Funktion und den damit zusammenhängend Verlust einer Korrelation mit anderen Dingen fest. Tatsächlich werden die uns täglich umgebenden Möbel, Alltagsgegenstände und Objekte, die wir seit frühester Kindheit zu betrachten gewohnt sind, kaum auf ihre Anordnung und Zusammenstellung und auf die sich daraus ergebenden Aussagen und Zusammenhänge hinterfragt, sondern fungieren einzeln im täglichen Getriebe von Arbeits- oder Tätigkeitsabläufen. Die skulpturalen Inszenierungen von Klaus Pamminger haben ihren Ausgangspunkt in eben dieser Hinterfragung mittlerweile konventionell gewordener Seh-Gewohnheiten. Was bedeuten die Bilder, die die Dinge des Alltaglebens in ihrer Plaziertheit evozieren und wie können Wahrnehmungs-Wahrnehmungen initiiert und verschärft werden? Die für die Generation Pammingers bestimmenden Jugendjahre - die siebziger Jahre - mit ihren typischen Tapeten- und Fliesenmuster, dem charakteristischen Warendesign und dem prägenden ästhetischen Geschmack bestimmen dabei häufig die Hintergründe der zunächst fotografisch festgehaltenen Arrangements von Gegenständen bzw. in manchen Fällen auch von Personen. Jene Kompositionen des Alltäglichen, als Abbild der Realität fotografisch auf Plexiglasscheiben festgehalten, beispielsweise Aschenbecher, Zigaretten und Häckeldecke, Lebensmitteldosen auf Regalen, Martiniflasche mit Glas und Oliven, Tischgedeck mit Sardinenbüchse und Miniatur-Stierschädel, ein Badezimmereck mit Waschbecken und Shampoos oder eine Wohnungstür mit aufgehängter Lederjacke und Gürtel gepaart mit den Symbolen und Mustern jenes Jahrzehnts rufen Erinnerungen an Vergangenes hervor und ermöglichen so die intuitive Einbeziehung des Betrachters. Nachdem jenes fotografische Abbild auf Plexiglas mit realen, aus der Fotografie bereits bekannten, Elementen kombiniert wird und einige der belichteten Stellen nachbearbeitet werden, verschwimmen Abgebildetes und Reales mit Imaginiertem und Zeit- und Raumgrenzen werden aufgehoben. Die Transparenz der Plexiglasscheiben legt einerseits die Sicht auf Dahinterliegendes frei, andererseits wird durch die gleichzeitige Spiegelung des Betrachters jener unmittlebar ins Geschehen einbezogen und somit für eine kurze Zeit selbst zu einem fotografischen "still". Die Grenzen des Kunstwerks öffnen sich zum Ausstellungs-Wohnraum, der Betrachter ist zugleich Teilnehmer im räumlichen Ausstellungsablauf als auch an der künstlerischen Werkinszenierung. Die räumlichen und zeitlichen Bezugsebenen gehen ineinander über und manchmal hilft nur der Druck auf die imaginäre "stand-by" Taste des Videorecorders, um wieder sicheren Boden unter den Füßen zu verspüren.

 

1) Jean Baudrillard, Das System der Dinge, Joseph Garzuly (Übers.), Frankfurt/Main, New York: Campus, 1991. S. 25.

 

[BILDER Nr. 126, 1996]