MUSTERGÜLTIGE RAPPORTE
von Nicola Hirner (anlässlich einer Ausstellung in der Fotogalerie Wien 2004)
„Everyday Patterns“ ist der Titel der mehrteiligen Installation von Klaus Pamminger, in der sich die mediale Verfasstheit von Wahrnehmung öffentlicher und privater Bereiche in vielfältigen Mustern über das gesamte Interieur des Wohnraums ausbreitet.
Die visuellen Vorlagen bilden Berichterstattungen aus TV-Sendungen: Screen-shots signifikanter medialer Ereignisse werden digital transformiert. Spiegelungen, Drehungen, farbliche Veränderungen, das Freistellen von Objekten und Hinzufügen von Elementen erzeugen musterartige Rapporte. Tapeten und Textilbezüge als alltägliche Schon- und Verschönerungsformen sowie tapetenartige Bilder werden zu Manifestationen des medialen Alltags. Berichte gerinnen zu Rapporten, deren Kontextualisierung durch die Komprimierung der Motive codiert ist. So ist die Kriegserklärung von George W. Bush gegen den Irak aus dem TV-Weltjournal vom 08.01.2003 zunächst nicht erkennbar, vielmehr scheint eine Tapete als Bildformat dem Interieur als autonomes Element hinzugefügt. Alle Teile der Installation funktionieren eigenständig, sie fügen sich aber insgesamt zu einem Arrangement. Was im originalen Bericht ganz unverhohlen unter dem Vorwand „Strengthening America’s Economy“ als Textfolie im Hintergrund vor Bushs Rednerpult propagiert wird, entzieht sich im patternförmigen Bild der schnellen Lesbarkeit. Es sind nicht die repititiven Berichterstattungen und die Konstruiertheit von medialen Formaten als solche, die Klaus Pamminger freilegen will: Er selektiert und transformiert diese, um sie in andere Wahrnehmungskontexte einzubinden. Das private Ambiente des Wohnens ist dergestalt eingekleidet in ornamentale Bezüge, dass deren profane mediale Herkunft sich nicht sofort erkennen lässt: Muster dominieren über Motive, und wenngleich sich in allen patterns konkrete Bezüge erkennen lassen, tauchen diese ab ins Fragmentarische, abstrakt Wahrnehmbare. Eine Diskontinuität von Narrationen wird evoziert, regelmäßige Rapporte werden zu Garanten von Kontinuitäten. Die Dichte und Vielfalt der ornamentalen Ausstattung auf engstem Raum suggeriert eine klaustrophobische Atmosphäre. Und der intime Blick in einen Spiegel wird irritiert durch eine Tapete im Hintergrund, deren Musterung sich aus marschierenden nordkoreanischen Soldaten generiert.
Mit zunehmender Erschließung der Motive wächst das Unbehagen und das Misstrauen in diesem Ambiente, das zunächst noch durch spezielle artifizielle Anfertigungen ein Flair von exklusiver Behaglichkeit zu verbreiten vermochte. Selbst die mediale Scheinerlösung durch das TV-Programm bleibt verwehrt: Auf dem Monitor läuft eine von Klaus Pamminger rapportartig verfremdete Fernsehshow in Endlosschleife. Nichts ist, was es scheint: Getarnt als dekorative Oberflächenmuster können Realitäten lediglich auf Distanz gehalten werden, letztendlich dringen sie aber ins Bewusstsein. Entgegen der Ereignishaftigkeit medialer Berichterstattung haftet den Mustern etwas Zähes, Langsames an, weil die in sich abgeschlossenen motivischen Parzellen der jeweiligen Musterrapporte den Blick an sich ziehen und in vielen Varianten miteinander kombiniert werden können. Bezüge jenseits eines gesamtheitlichen Eindrucks von Tapetenmustern stellen sich ein. Gefangen in symmetrischen Systemen und deren zahlreichen kombinatorischen Möglichkeiten, wechseln abstrakte Wahrnehmung und Wahrnehmung von realen Motivsplittern je nach Distanz.
Die Verstrickung optischer und rationaler Dichotomien lässt keine Lücken frei für Unvorhersehbares: Die „Everyday Patterns“ rollen als Texturen einer “Wiederkehr des Immergleichen” ab, Monotonie und Langeweile verbinden sich harmonisch zu phantastischen Formen. Der Erschließung der Motive aus dem medialen Bereich folgt eine Einschließung ins Ornamentale, eine Implementierung in den privaten Mikrokosmos mittels digitaler Technik. Was einer vorsätzlichen Marginalisierung mit romantischer Konnotation gleichkommt, lässt sich konträr dazu auch als innovatives Bezugssystem interpretieren: Realitätsfragmente können auf diese Weise mit einem abstrakten artifiziellen Formenvokabular gegengelesen werden. Die Installation, deren BesucherInnen von einem all-over von patterns umhüllt werden, dehnt sich zu einer Wohnlandschaft aus, in der sich Idylle nicht als Oberflächenphänomen beschreiben lässt, zumal die TV-Berichterstattung das untrennbar damit verwobene Ausgangsmaterial bildet. Die Muster treten als Symptome mit eigener Dynamik in Erscheinung, ihre Symptome zeigen sich nicht deutlich, aber sichtbar. Eine rosa Blumentapete fürs Kinderzimmer kann sich aus der Nähe als kriegshetzerisches Szenario entlarven. Mustergültige Codes stehen nicht zur Verfügung.
[BILDER-Magazin 194, 2004]