CLOSED CIRCUIT – WOHN-KUNSTRÄUME VON KLAUS PAMMINGER
von Uwe Schögl
Klaus Pamminger denkt und arbeitet in Lebenszusammenhängen. Seine Raumkonzeptionen und -projektionen bilden dabei jenes Terrain von thematischen Auseinandersetzungen, das eine Funktion von künstlerischer Produktion und außerkünstlerischer Wirkung postuliert. Potentielle Wirkungsmöglichkeiten des unmittelbaren Teilseins an der Welt werfen zugleich auch Fragen nach dem Funktionieren künstlerischer Handlungsmuster auf. Damit führen uns Pammingers Arbeiten einen zentralen Konflikt der gegenwärtigen Kunstdebatten vor, die Alternative zwischen der Produktion von Kunst als Abbild möglicher Wirklichkeiten und als Erfundenes, selbst Teil der erfundenen Wirklichkeit. Die gebotene Lösung bietet Pamminger nicht an, da sich seine Arbeiten nicht innerhalb dieser Positionen bewegen.
Wenn man das Atelier des jungen Künstlers Klaus Pamminger (geboren 1967 in Ebensee) in der Odoakergasse in Wien, das zugleich Wohnung ist, betritt, ist man gleich einem kaum faßbaren optischen Widerspruch ausgesetzt: der Blick des Betrachters stößt auf Möbel, Einrichtungsgegenstände mit altvertrauter Identität, gleichzeitig lösen artifizielle Objekte, Konstellationen, eine kritisch-analytische Distanzierung aus. Das Prozedere des Schreitens durch die Räume selbst wird als Projektion vor Projektionsflächen der graphisch behandelten Wände empfunden, wo Plexiglaselemente den Betrachter mit seiner Spiegel-Silhouette verblüffen. KIar bezeichnete Dinge lösen sich auf in graphisch gestaltete ,,übereinandergelegte Bilder” ihres Abbildes selbst. Der Diwan der Sitzecke ist nur mehr eine Abbildung (auf Plexis), reale Dinge des Alltags und Abbilder davon wechseln einander ab, überspielen einander tautologisch. Der Kunstgriff erschwert die Lesbarkeit, konterkariert zugleich den inhaltlichen Bezug zum Text, indem die Kette dieser supplementären Blicke in Wahrnehmungsphänomene aufgelöst wird. Authentizität und Originalität als oftmals künstlerisches Paradigma sind bei Pamminger außer Kraft gesetzt. Die Identität ist das sich Aufhalten des Betrachters in Wohnräumen, die in seinem Wohn-Atelier und in Variationen in ,,Garçonnière Für Alice” im OK Linz 1995, in der Galerie Rytmogram (Bad Ischl 1995) oder in ,,Geschäft mit Schwarzbau” der Galerie Eboran, Salzburg (1995) durchspielt werden.
Es geht Pamminger also vielmehr um eine Strategie des Aufbrechens der naiven Identität des Blicks und der naiven Objektivität seines Gegenstandes. Der Betrachter beginnt wahrzunehmen, daß im romantischen Sinne hinter seinem Rücken sein Blick Objekt eines imaginierten Blickes wird, der mit den Blicken des Photographen infiltriert wird. Die Balance zwischen Alltagsobjekt und Kunstprodukt, bekanntem Design und tautologischer Reproduktion beginnt zu wanken. Oder im Kontext eines Doppelsinnes: alleine die Gleichzeitigkeit von Durchscheinen und Spiegelung des Blickes wird zur Darstellung gebracht, jedes ,,Durchsehen” letztendlich zum Scheitern verurteilt. In diesem Vexierbild sind die großflächigen Plexis von entscheidender Bedeutung: sie wiederholen die dahinterliegenden Motive, wie eine Folieneinlage, zugleich sind sie durchscheinend und geben den Blick auf das Dahinterliegende frei, was eine verwirrende Verdopplung hervorruft. Die wahrnehmungspsychologischen Experimente Pammingers zeigen uns diese Alternative an, ohne selbst in diesem Bedeutungstransfer aufzugehen.
Die Selbstbezüglichkeit von Pammingers Arbeiten ist nur scheinbar, da ihre Wertigkeit geradezu Kommunikation provoziert. Die Kommunikationssituation, die Pamminger hier im interaktiven Schema von Wahrnehmungsverschiebungen gewährleistet, entwickelt sich aus der ,,Universalisierung des Betrachtens” heraus. Im Zeitalter der ,,Technotransformation unserer Wirklichkeit” (Peter Weibel), wo sich die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem, Reproduktionswirklichkeit unserer Medien und Realität der (Waren) Welt auflösen, richtet sich der Blick auf das Hinterfragen der strukturellen Gesetzmäßigkeiten.
Das Prinzip, transparente Sichtweisen zu gewinnen, heißt bekanntlich Wirkungen auf ihre Ursachen hin zu betrachten, um die Strukturen von Gegenständen als das zu erkennen, was sie sind. Pammingers ,,Analysen” sind auf die Kritikfähigkeit von Inhalten hin zu sehen, die längst zu Synonymen unserer oberflächlichen (hedonistischen) Konsumwelt geworden sind. Gegenposition zu beziehen heißt hier, daß moderne Gesellschaften polymorph geschichtete Schachtelkonstruktionen seien. Pamminger spielt in seinen Raumkonzeptionen auf diese Wirkungsweisen an, die den Betrachter zum Akteur machen. Er schafft so einen Produktionskreislauf, der vom Rezipienten abhängig ist und sein Werk vollenden wird, einen closed circuit als Akt und Gegenmodell zur kommerzialisierten Welt.
[Oberösterreichischer Kulturbericht, 50. Jahrgang, 1996]